18 Oktober 2024
Unsere Lieblingsalternativen zu Wolle
- COSH! Member Publicity
- Produktion
Leder prägt seit jeher die Modewelt mit seiner Langlebigkeit und zeitlosen Eleganz. Ein Material, das Jahrzehnte in deinem Kleiderschrank überdauert und dabei nichts von seinem Charme verliert – klingt nachhaltig, nicht wahr? Doch trotz seiner Vorteile ist Tierleder umstritten, und es werfen sich ethische Fragen auf.
Der Herstellungsprozess oft sowohl eine Qual für die Tiere als auch für unseren Planeten. In dieser Debatte um Ethik und Umweltverantwortung gewinnt veganes Leder an Boden. Doch auch hier lauern Fallstricke, da viele dieser Alternativen auf Kunststoff basieren, was ihre ökologische Glaubwürdigkeit in Frage stellt. So stehen wir bei COSH! vor der Frage:
Tierleder, häufig in Mode, Autos und Möbeln zu finden, stammt zu 90 % von Rinderhäuten. Doch trotz seiner Omnipräsenz ist der Prozess seiner Herstellung alles andere als einfach. Rebecca Cappelli, Regisseurin des Dokumentarfilms SLAY (2022), beleuchtet die Komplexität hinter dieser Verarbeitung: “Bevor es zum Gerben kommt, durchlaufen die Häute Prozesse wie Salzen, Enthaaren, Entfetten und Einweichen. Dabei tauchen sie in diverse chemische Bäder ein, um Haare und Fette zu eliminieren und sie für das anschließende Gerben, Färben und Veredeln vorzubereiten.” Die Nachhaltigkeitsbewertung von Tierleder in unserer Bekleidung hängt stark von der Ausführung dieser Prozesse sowie den Bedingungen der Rinderhaltung und Schlachtung ab.
Leder zu erzeugen bedeutet, den Verfall von Rohhäuten zu verhindern. Dabei kommt der Gerbungsprozess ins Spiel. (Quelle: Cappelli, R. (Regisseur). (2022). SLAY [Film])
Chromgerbung: Die meistverwendete Technik. Trotz ihrer Effizienz bringt sie ernsthafte Umwelt- und Gesundheitsprobleme mit sich. Durch den Einsatz von toxischen Chemikalien kann das resultierende Abwasser aquatische Lebensräume zerstören und die menschliche Gesundheit beeinträchtigen.
Gerbereiarbeiter:innen sind oft den Gefahren dieser Chemikalien ausgesetzt, mit kontaminiertem Wasser, das Straßen und Bewässerungssysteme verschmutzt. (Quelle: Omoloso, O., Wise, W., Mortimer, K., Jraisat, L., & Omoloso, S. (2020). Corporate sustainability disclosure: a leather industry perspective. Emerging Science Journal, 4(1), 1 – 11.)
Erschreckend ist, dass in einigen Regionen diese Arbeiter:innen unter bedenklichen, ja “sklavenähnlichen” Zuständen leiden. (Quelle: Cappelli, R. (Regisseur). (2022). SLAY [Film].) Bevorzuge deshalb europäische Gerbereien: Dank der strengen Umweltregelungen Europas werden schädliche Auswirkungen auf die Umwelt minimiert. Leider können andere Regionen, wie beispielsweise Teile Indiens, solche Standards nicht immer gewährleisten, wie Verschmutzungsskandale in der Vergangenheit zeigten.
Hierbei werden pflanzliche Tannine, oft aus Baumrinde gewonnen, eingesetzt. Dieses Verfahren ist nicht nur schonender für die Umwelt, sondern schützt auch die Gesundheit der Arbeiter:innen, die am Gerbungsprozess beteiligt sind.
Durch Investitionen in saubere Technologien für die Konservierung, Enthaarung, Gerbung und Färbung von Rohhäuten können wir sicherlich den ökologischen Fußabdruck von Leder reduzieren und zu seiner nachhaltigeren Produktion beitragen! (Quelle: Kanagaraj, J., Senthilvelan, T., Panda, R. C., & Kavitha, S. (2015). Eco-friendly waste management strategies for greener environment towards sustainable development in leather industry: a comprehensive review. Journal of Cleaner Production, 89, 1 – 17.)
Ein gängiges Argument, wenn es um die Nachhaltigkeit von Leder geht, lautet: “Leder entsteht als Nebenprodukt der Fleischindustrie – es würde sonst weggeworfen werden..” Folglich wird oft angenommen, dass die eigene Lederhandtasche oder ‑schuhe dabei helfen, Ressourcenverschwendung zu reduzieren, indem Tierhäute, die ansonsten auf der Müllhalde landen würden, zu modischen Accessoires recycelt werden. Klingt im ersten Moment recht überzeugend, nicht wahr?
Jedoch erweist sich bei näherem Hinsehen der Begriff “Nebenprodukt” als problematisch. Der immense Jahresumsatz von schätzungsweise 150 Milliarden Dollar, den der weltweite Ledermarkt generiert, deutet darauf hin, dass es hierbei weniger um Abfallvermeidung als vielmehr um erhebliche wirtschaftliche Interessen geht.
Der Dokumentarfilm “SLAY” fügt dem Thema eine weitere Dimension hinzu: Aufgrund der schädlichen Umweltauswirkungen der Chromgerbung wäre es sogar umweltfreundlicher, die Tierhäute einfach zu entsorgen und verrotten zu lassen, anstatt sie in Leder zu verwandeln. Dies unterstreicht die Erkenntnis, dass Leder nicht einfach ein harmloses “Nebenprodukt” ist. Es ist vielmehr ein äußerst lukratives Co-Produkt der Fleischindustrie.
Betrachtet man Leder als Nebenprodukt der Fleischproduktion, sollte man dabei nicht vergessen, dass die Fleischindustrie selbst einer der größten Umweltverschmutzer ist. Sie produziert erhebliche Mengen an Treibhausgasen, beansprucht riesige Landflächen und verbraucht immense Wassermengen – immerhin sind Kühe ziemlich durstige Tiere. Und auch wenn es einige engagierte Viehzüchter gibt, die bemüht sind, nachhaltiger und ethischer zu handeln, ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Hinblick auf den gesamten ökologischen Fußabdruck der Branche.
Der Amazonas-Regenwald und andere tropische Wälder erleben derzeit eine beispiellose Entwaldungsrate, und die Viehwirtschaft steht an vorderster Front dieses Dilemmas. Aber wie hängt Viehzucht mit Abholzung zusammen? Um es einfach auszudrücken: Für die Ernährung der Tiere ist viel Getreide und Soja notwendig. Und um diesen Bedarf zu decken, werden riesige Teile des Regenwaldes gerodet, um Platz für Ackerland zu schaffen. Das Opfer? Der lebenswichtige Amazonas mit seiner unglaublichen biologischen Vielfalt, einschließlich gefährdeter Tierarten und heilender Pflanzen.
Dazu kommt eine beunruhigende Entdeckung einer jüngsten Untersuchung von Stand aus dem Jahr 2021. Diese Studie hat Lederexporte des Unternehmens JBS nachverfolgt, welches maßgeblich zur Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien beiträgt. Erschreckend ist, dass viele renommierte Modegiganten direkte Verbindungen zu diesem Unternehmen aufweisen. Das bedeutet, dass populäre Marken wie H&M, Zara, Prada, Ralph Lauren und Dr. Martens (womöglich unbewusst) zur Entwaldung des Amazonas beitragen könnten.
Die Schilderungen von Cappelli werfen ein erschreckendes Licht auf die Behandlung von Tieren innerhalb der Lederproduktionskette. Viele Lederlieferanten stammen aus Ländern wie Indien, Brasilien und China, in denen die Tierschutzstandards häufig mangelhaft sind. Es sind erschütternde Berichte über Kälber, die getrennt und im Anschluss in stressigen Umgebungen aufgezogen werden, und über Rinder, die unsachgemäß und brutal getötet werden. Cappellis Aussage darüber, dass viele dieser Tiere bei Bewusstsein sind, während sie ausbluten, ist in der Tat herzzerreißend.
Während solche Praktiken in einigen Ländern vorherrschen, ist es ermutigend zu sehen, dass Regionen wie die EU bemüht sind, höhere Standards für Tierschutz und humanere Schlachtmethoden einzuführen. Doch obwohl Fortschritte erzielt werden, stellt sich die Frage: Kann Tierleder jemals wirklich nachhaltig sein?
Tierleder wird immer ein umstrittenes Produkt bleiben, da es aus Tierhäuten hergestellt wird. Es gibt jedoch Aspekte, die es als nachhaltigeres Produkt gestalten können. (Quelle: Navarro, D., Wu, J., Lin, W., Fullana-i-Palmer, P., & Puig, R. (2020). Life cycle assessment and leather production. Journal of Leather Science and Engineering, 2(1), 1 – 13.)
Zum Beispiel ist Leder langlebig, kann recycelt werden und kann, je nach Verarbeitung, biologisch abgebaut werden. Einige Initiativen, wie der niederländische Pakt für nachhaltige Bekleidung und Textilien, zeigen, dass es Bemühungen gibt, die Lederproduktion umweltfreundlicher und ethischer zu gestalten.
Als Verbraucher:in hast du die Macht, durch deine Kaufentscheidungen Veränderungen zu bewirken. Unterstütze Marken, die Transparenz und Verantwortung in ihrer Produktionskette zeigen. Suche nach Unternehmen, die pflanzlich gegerbtes Leder verwenden, sich für ökologische Tierhaltung einsetzen und in Regionen produzieren, in denen strenge Umwelt- und Tierschutzstandards gelten. Mit bewussten Entscheidungen können wir gemeinsam den Wandel in Richtung einer nachhaltigeren und ethischeren Lederindustrie vorantreiben.
Die Intransparenz der Tierlederindustrie erschwert es Verbraucher:innen, klare Informationen über Nachhaltigkeit und Tierschutz ihrer Produkte zu erhalten. Eine wachsende Zahl wendet sich deshalb der veganen Alternative des Kunstleders zu, oft “Pleather” genannt. Doch wie grün ist diese Wahl wirklich?
Als Michael Jackson in seinen legendären Zeiten das glänzende, lederähnliche Material zur Schau stellte, prägte es den Spitznamen “Pleather”. Heute erlebt es dank eines umweltbewussten Publikums eine Renaissance. Aber auch hier gibt es erhebliche ökologische Fußabdrücke. (Quelle: Li, S. (2015). Vegan Fashion Grows More Fashionable as Textile Technology Improves. Los Angeles Times.)
Kunstleder simuliert die Optik und Haptik von echtem Leder, basiert jedoch auf synthetischen Materialien wie Polyurethan (PU) und Polyvinylchlorid (PVC). Eines der Hauptprobleme: Es ist nicht biologisch abbaubar. Ein Kunststoffteil kann zwischen 500 und 1000 Jahre in der Umwelt verweilen. Bei seiner Entsorgung durch Verbrennung werden toxische Chemikalien freigesetzt, die sowohl die Umwelt belasten als auch gesundheitsschädlich sein können. (Quelle: Vijayalakshmi, A., Meena, M., Mageswari, S. U., Priya, M. A. P., & Vijayakumar, G. N. S. AN ECOVATIVE ALTERNATIVE FOR PLASTIC: AN OVERVIEW. Plastic Waste Management: Turning Challenges into Opportunities, 8.)
Das Abwaschen dieser Materialien führt zudem zur Bildung von Mikroplastik, welches in unsere Wasserwege gelangt und so in den Lebenszyklus von Meeresbewohnern eingreift. Trotz des “tierfreundlichen” Etiketts kann Pleather so tatsächlich zur Gefahr für marine Lebensformen werden.
Die Produktion von Kunstleder erfordert zudem den Einsatz fossiler Brennstoffe, Chemikalien und eine erhebliche Wassermenge – und all das für ein Produkt, das nicht die Langlebigkeit von echtem Leder erreicht.
Angesichts seiner Herstellung aus Kunststoffen ist die Umweltverträglichkeit von Kunstleder durchaus kritisch zu sehen. Doch zum Glück gibt es kreative Alternativen.
Diese dritte Option umgeht sowohl tierische Nebenprodukte als auch das umweltschädliche Kunstleder. Forscher:innen und innovative Unternehmen experimentieren mit neuen lederähnlichen Materialien, die vier Hauptkategorien umfassen: pflanzenbasiertes Leder, Silikonleder, im Labor gezüchtetes Leder und recyceltes Leder.
Eine umweltschonendere Alternative zu Kunststoffleder sind veganfreundliche Materialien aus Pflanzenfasern. Dabei werden natürliche Rohstoffe wie Kork, Kokos, Ananas, Äpfel, Kakteen, Kaffee oder Pilze in Fasern verwandelt, die einem lederähnlichen Stoff ähneln. Aber Achtung: Nicht alle natürlichen Materialien sind stabil genug, um ganz ohne Kunststoff zu Leder verarbeitet zu werden. Ein naturbasiertes Produkt ist nicht automatisch umweltfreundlicher, besonders wenn Kunststoff hinzugefügt wird.
Silikonleder ist eine ökologischere Option im Vergleich zu PU und PVC. Es wird aus natürlichem Silikonkautschuk hergestellt, der aus Sand gewonnener Kieselerde entspringt. Silikon vereint die Flexibilität organischer Materialien mit der Beständigkeit anorganischer Stoffe. Zu seinen Vorteilen zählen:
Geringerer Wasser- und Stromverbrauch in der Produktion im Vergleich zu Kunststoffleder.
Recycelbarkeit (obwohl nicht biologisch abbaubar).
Nicht toxisch für Boden und Lebewesen sowie Gewässerschonend.
Die Innovation im Bereich Leder bringt uns echtes, aber im Labor gezüchtetes Leder. Die Pionierarbeit von Firmen wie Modern Meadow macht es möglich, tierisches Leder durch Zellkulturen aus einer Biopsie zu züchten. Dieses Leder steht dem traditionellen Tierleder in nichts nach, weist jedoch einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck auf. Durch die kontrollierte Produktionsumgebung lassen sich zudem maßgeschneiderte Eigenschaften wie Größe und Textur realisieren.
Recyceltes Leder, häufig in der Modebranche erwähnt, entsteht durch die Kombination von Lederabfällen und Fasern. Die Reste echten Leders werden gesammelt, zerkleinert und mit einem PU-Bindemittel verbunden, um schließlich zu einer neuen Faser verarbeitet zu werden. Diese Fasern erhalten durch eine PU-Beschichtung das Aussehen und Gefühl von echtem Leder. Somit ist recyceltes Leder eine Kreuzung aus echtem und Kunstleder.
Obwohl die Beimischung von Kunststoff nicht die nachhaltigste Lösung ist und recyceltes Leder eine kürzere Lebensdauer als echtes Leder hat, wird es dennoch als verhältnismäßig umweltfreundlich angesehen, da es die Abfallprodukte der Lederindustrie wiederverwendet. Bei der Herstellung von recyceltem Leder ist es wichtig, umweltschonende Technologien ohne schädliche Chemikalien einzusetzen und nachhaltig gewonnene natürliche Lederfasern zu nutzen.
In der Diskussion um Nachhaltigkeit innerhalb der Modebranche ist es vor allem essenziell unsere Konsumgewohnheiten zu überdenken – seltener neue Kleidung erwerben und uns auf qualitativ hochwertige Stücke konzentrieren. Tierleder kann, unter der Voraussetzung einer einwandfreien Qualität, einer nachhaltigen Produktionsweise und einer zeitlosen Gestaltung, die mehrere Jahrzehnte Bestand hat, durchaus eine umweltfreundlichere Option darstellen im Vergleich zu veganen Alternativen aus Plastik, die weder recycelbar sind noch eine lange Lebensdauer aufweisen. Was die nicht auf Plastik basierenden, tierlederfreien Alternativen angeht, so befinden sie sich noch in der Entwicklung. Dennoch zeigen sie gemeinsam eine hoffnungsvolle Richtung für eine zukunftsfähigere Lederindustrie auf.
Ich möchte den monatlichen Newsletter mit Neuigkeiten zum Blog und exklusiven Events erhalten. Wir behandeln deine personenbezogenen Daten mit größter Sorgfalt. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
18 Oktober 2024
24 September 2024
17 September 2024