29 Oktober 2024
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- Diversität
Kommende EU-Gesetzgebungen für den Textil- und Modesektor
Bei COSH! sind wir fest davon überzeugt, dass die Lösung des Problems der Fast Fashion eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten erfordert, darunter Marken, Einzelhändler:innen und Verbrauchende. Gleichzeitig erkennen wir jedoch auch die entscheidende Rolle der Regierungen bei der Schaffung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen. Hast du dich schon einmal gefragt, wie die Europäische Union dieses Problem angeht? Wir haben uns damit auseinandergesetzt und diesen Blog erstellt, um dir einen Einblick in die Initiativen der EU zu geben. Ein besonderer Dank geht an den Traceability-Workshop bei den Circular Textile Days, der uns die Möglichkeit gegeben hat, diese Fragen mit anderen Experten:innen der Modebranche zu diskutieren.
Fühlst du dich etwas verwirrt? Keine Sorge, wir haben für dich eine Übersichtstabelle mit den wichtigsten Regelungen und Initiativen und deren Zeitplan vorbereitet:
Wie wir alle wissen, müssen wir die Art und Weise, wie Kleidung hergestellt wird, dringend ändern, um die negativen Auswirkungen auf unseren Planeten zu minimieren. Doch welche Anreize schafft die EU damit diese Produktionsveränderungen auch eintreten?
Die EU führt eine Reihe von Designanforderungen ein, die als Ecodesign bekannt sind und Hersteller dazu verpflichten, Produkte stärker in Kreisläufen zu gestalten. Diese Anforderungen beziehen sich beispielsweise auf den Anteil recycelter Materialien in einem Produkt, dessen Recyclingfähigkeit und Unbedenklichkeit. In der Praxis könnte dies bedeuten, dass Kleidung einen Mindestanteil an recyceltem Material enthalten muss und die Verwendung bestimmter Materialien beschränkt wird, um die Freisetzung von Mikroplastik zu verhindern. Diese Informationen sollten für alle Beteiligten in der Lieferkette leicht zugänglich sein, wahrscheinlich durch die Einführung von Digitalpässen für Produkte. In der Theorie könnten Verbraucher:innen diesen Pass dann nutzen, um beispielsweise Informationen zur Reparatur oder zum Recycling ihres Kleidungsstücks zu erhalten. Der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Gesetzesentwurf befindet sich derzeit in Diskussion im Europäischen Parlament und den EU-Ländern. Wir gehen davon aus, dass er frühestens Ende 2023 in Kraft tritt.
Darüber hinaus wird derzeit an zusätzlichen Gesetzen gearbeitet, um die versehentliche Freisetzung von Mikroplastik weiter einzudämmen (lese unseren Blogbeitrag über Polyester und Mikroplastikverschmutzung). Die Europäische Kommission wird voraussichtlich bis Ende 2022 ihre Ideen in diesem Bereich vorstellen. Bisher hat sie angedeutet, dass sie diese äußerst problematische Form der Umweltverschmutzung durch Kennzeichnung, Standardisierung, Zertifizierung und regulatorische Maßnahmen angehen möchte.
Hast du unseren Beitrag über die Verwendung von PFAS, besser bekannt als “ewige Chemikalien”, in der Textilindustrie gelesen? Falls ja, haben wir dazu gute Nachrichten! Die EU versucht, den Einsatz sämtlicher PFAS über den EU-Chemikalienregulierungsrahmen REACH einzuschränken.
Dies würde Herstellern untersagen, sämtliche PFAS in nicht wesentlichen Anwendungen wie wasserdichten Modemänteln zu verwenden. Derzeit sind nur einige PFAS eingeschränkt, was dazu führt, dass die Chemieindustrie nicht regulierte PFAS als Ersatz einsetzt. Eine umfassende Beschränkung aller PFAS ist dringend erforderlich und soll 2025 in Kraft treten.
Genauso wichtig wie der ökologische Wandel ist ein ethischer Wandel in der Modeindustrie, um sicherzustellen, dass Arbeiter:innen entlang der Lieferkette unter sicheren Bedingungen arbeiten und faire Löhne erhalten.
Es ist bekannt, dass große Modekonzerne (wie H&M, Inditex usw.) ihre Kleidung zu niedrigen Preisen verkaufen können, weil Bekleidungsarbeiter:innen ausgebeutet werden. Die EU möchte dem entgegenwirken, indem sie eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen einführt. Der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Gesetzesentwurf bedeutet, dass große Marken vor europäischen Gerichten für Menschenrechts- und Umweltvergehen entlang ihrer globalen Wertschöpfungsketten zur Verantwortung gezogen werden können. Dieser Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und in den EU-Ländern diskutiert und könnte frühestens Ende 2023 in Kraft treten. Es ist wichtig zu beachten, dass dies nicht zwangsläufig ein Verbot des Verkaufs von Produkten, die unter inakzeptablen Bedingungen hergestellt wurden, bedeutet. Solche Produkte könnten immer noch in die EU gelangen. Daher würden wir bei COSH! gerne sehen, dass noch mehr getan wird!
Und wie wirkt sich das auf Einzelhändler:innen und Marken aus?
Derzeit werden kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in diesem Vorschlag nicht besonders berücksichtigt, sodass sich für sie wahrscheinlich keine wesentlichen Änderungen ergeben werden, abgesehen von der Tatsache, dass sie potenziell von neuen Kund:innen profitieren könnten, die sich von Fast Fashion abwenden.
Bei COSH! sind wir uns bewusst, wie frustrierend es sein kann, wenn große Fast-Fashion-Marken Kollektionen als nachhaltig vermarkten, aber ihre tatsächlichen Praktiken nicht nachhaltig sind. Greenwashing gibt es in vielen Formen, die die Umwelt erheblich schädigen können. Die EU bemüht sich darum, dem Einhalt zu gebieten, um Verbraucher:innen zu schützen und sicherzustellen, dass sie korrekte Informationen erhalten.
Eine Möglichkeit, unzulässige “grüne Behauptungen” zu reduzieren, besteht darin, die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher:innen zu aktualisieren, um Hersteller dazu zu verpflichten, Informationen über die Reparaturfähigkeit und Haltbarkeit ihrer Produkte bereitzustellen. Dies beinhaltet auch eine Aktualisierung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, um Hersteller daran zu hindern, vage Umweltbehauptungen aufzustellen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission wird derzeit im Europäischen Parlament und in den EU-Ländern diskutiert und wird frühestens Ende 2023 in Kraft treten.
Die oben erwähnten Digital Product Passports werden ebenfalls von entscheidender Bedeutung sein, um Verbraucher:innen präzise Informationen über verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte zur Verfügung zu stellen und Greenwashing zu verhindern. Diese Pässe werden voraussichtlich der Methodik des Product Environmental Footprint (PEF) folgen.
Der Europäische Rat hat im November 2022 grünes Licht für die Richtlinie zur Unternehmensberichterstattung im Bereich Nachhaltigkeit (CSRD) gegeben. Dies ist eine Änderung der bereits bestehenden Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD). Der CSRD legt Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung für große Unternehmen fest, die über Umweltrechte, Sozialrechte, Menschenrechte und Governance-Faktoren berichten müssen. Er erfordert auch die Offenlegung, wie das Geschäftsmodell und externe Nachhaltigkeitsfaktoren die Nachhaltigkeit und Aktivitäten des Unternehmens beeinflussen. Die Umsetzung erfolgt schrittweise, abhängig von der Unternehmensgröße, der Region und den Startdaten der Berichterstattung, und erstreckt sich von 2025 bis 2029.
Welche Auswirkungen hat das für Einzelhändler:innen und Marken?
Diese Maßnahmen werden einige zusätzliche Arbeitschritte bedeuten, aber alles im Dienste einer guten Sache! Es wird auch einfacher, sich als umweltbewusste Marke zu positionieren und sich von anderen Marken abzuheben, die unzulässige Aussagen erheben. Bei COSH! werden wir jedoch weiterhin die Nachhaltigkeitsanstrengungen der Marken überprüfen, um etwaige ethische oder Umweltprobleme aufzudecken.
Du hast wahrscheinlich von den riesigen Textilabfallbergen gehört und von der schockierenden Statistik, dass nur etwa 1% der Textilien recycelt werden. Es ist eine beunruhigende Vorstellung. Glücklicherweise können wir dies ändern, indem wir die Art und Weise ändern, wie Kleidung entworfen und am Ende ihres Lebenszyklus behandelt wird.
Die neuen Ecodesign-Anforderungen werden entscheidend sein, um Textilabfälle auf Deponien zu reduzieren. Sie werden Hersteller dazu zwingen, Kleidung so zu gestalten, dass sie reparierbar und recycelbar ist. Bei COSH! hoffen wir, dass diese Anforderungen auch eine Begrenzung der Mischung von Materialien und Fasern einschließen werden, die Textilhersteller verwenden dürfen.
Ein großes Problem besteht derzeit in der Sammlung von Textilabfällen. Eine Überarbeitung der Abfallrichtlinie wird erwartet, um die getrennte Sammlung von Textilien in der gesamten EU verpflichtend zu machen. Dies wird den Abfallstrom “reinigen” und Textilrecyclern die Arbeit erleichtern. Die Europäische Kommission wird ihren Vorschlag Ende dieses Jahres vorlegen, und die Überarbeitung ist für 2023 geplant.
Eine weitere wichtige Änderung wird die Einführung von Schemen zur Erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) für die Textilindustrie sein. Diese Schemen stärken das Verursacherprinzip und bieten den Herstellern echte Anreize, die Lebensdauer ihrer Kleidung zu verlängern. Lese hier über die nationale Haltung der Niederlande zu EPR-Systemen.
Wusstest du, dass täglich 150 – 200 Milliarden Tonnen Textilien in afrikanische Länder exportiert werden? Lesen den Bericht von Greenpeace darüber hier. Dieser Textilabfallexport in Länder, die nicht über die Einrichtungen zur ordnungsgemäßen Entsorgung verfügen, ist ein Problem, von dem viele nichts wissen. Es schadet der Gesundheit der lokalen Bevölkerungen und der Umwelt erheblich. Die EU plant, diesen unerwünschten Müll durch eine Überarbeitung ihrer Vorschriften für den Transport von Abfällen besser zu überwachen. Beispielsweise könnte Textilabfall nur in Nicht-OECD-Länder exportiert werden, die der EU nachweisen können, dass sie den Abfall nachhaltig bewältigen können. OECD-Länder könnten diesen einfacher importieren, aber wenn die EU sieht, dass der Abfall nicht verarbeitet werden kann, wird sie Exporte einschränken. Diese Überarbeitung soll voraussichtlich 2023 in Kraft treten.
Welche Auswirkungen hat das für Einzelhändler:innen und Marken? Die Ecodesign-Anforderungen werden zweifellos die Art und Weise, wie Kleidung produziert wird, verändern und dementsprechend wird es auch Auswirkungen für Marken und Einzelhändler:innen geben (falls die Marken Preise erhöhen). Die Maßnahmen zur Bekämpfung von Abfallströmen sollten jedoch gleichzeitig den Zugang zu geeignetem recyceltem Material für die Kleidungsherstellung erleichtern.
Jetzt weißt du, was dich in den nächsten Jahren erwarten wird! Willst du mehr erfahren? Schau dir eine Diskussion an, die wir zuvor mit einigen Expert:innen über die Notwendigkeit eines ehrgeizigen Rechtsrahmens geführt haben.
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