29 Oktober 2024
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COSH! Stellungnahme zu Frankreichs 5‑Euro-Steuer auf Fast Fashion
Frankreich steht kurz davor, einen weiteren Meilenstein im weltweiten Kampf gegen das Fast-Fashion-Paradigma zu setzen, dank des gewagten Vorschlags des französischen Abgeordneten Antoine Vermorel Marques. Der Vorschlag, auf jeden verkauften Fast-Fashion-Artikel einen Aufschlag von 5 € zu erheben, könnte ein weiterer zuversichtlicher Schritt sein, um angesichts der ökologischen und sozialen Verheerungen der ultraschnellen Mode, angeführt von Giganten wie SHEIN und Temu, einen echten, greifbaren Wandel einzuleiten. Dieser Schritt, der in die umfassenderen gesetzgeberischen Bemühungen der französischen Mitte-Rechts-Fraktion Horizons eingebettet ist, zielt darauf ab, die Waage zu kippen und “Made in France” gegenüber “Made in China” zu stärken. Doch die brennende Frage bleibt: Wird dies ausreichen, um das Blatt zu wenden? Lass uns das Thema mit COSH! einzeln aufrollen!
Die Anziehungskraft von Fast Fashion ist unbestreitbar: Sie ist billig, sie ist schick und sie ist trendy. Hinter dieser Fassade verbirgt sich jedoch ein unkalkulierbarer ökologischer und sozialer Tribut, wie die Ergebnisse der Untersuchung von Greenpeace Deutschland zu den mit Chemikalien belasteten Produkten von SHEIN ans Licht brachten. Von den 42 untersuchten Produkten enthielten 15 % gefährliche Stoffe, die die EU-Sicherheitsstandards überschreiten, und fünf Produkte wiesen Toxizitätswerte auf, die doppelt so hoch waren wie die zulässigen Grenzwerte.
Mit der von Frankreich vorgeschlagenen 5‑Euro-Steuer sollen die völlig verschleierten Preise ins Rampenlicht gerückt und die tatsächlichen Kosten von Fast Fashion stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Die Initiative wird von COSH! für ihre Absicht gelobt, das Bewusstsein und die Verantwortlichkeit zu fördern. Wir bleiben jedoch skeptisch, dass ein Aufschlag von nur 5 € die tiefgreifenden Auswirkungen von Fast Fashion auf die Ökosysteme und Bewohner unseres Planeten angemessen berücksichtigt.
Darüber hinaus könnte dieser Ansatz zu einer Mentalität führen, bei der die Unternehmen das Gefühl haben, dass sie “ihren Beitrag geleistet haben”, wodurch ihr Verantwortungsbewusstsein sinkt und “business as usual” gefördert wird. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Verantwortlichkeit weiterhin bei den Produzenten liegt. Vor diesem Hintergrund hat COSH! zusammen mit Fair Trade Belgium und wichtigen belgischen Interessenvertretern eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich für die rasche Verabschiedung der Richtlinie über die Sorgfaltspflicht für nachhaltige Unternehmen (CSDDD) aussprechen. Diese Richtlinie ist wichtig für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen, die für die Verwirklichung nachhaltiger Lieferketten entscheidend sind. Im Wesentlichen schreibt sie vor, dass Unternehmen die Verantwortung für ihren ökologischen Fußabdruck und die Auswirkungen auf die Menschenrechte innerhalb ihrer Lieferketten übernehmen.
Diese Frage bringt uns zu unserem nächsten Punkt: Der Vorstoß von Antoine Vermorel Marques für ein Bonus-Malus-System soll die lokale Handwerkskunst fördern und gleichzeitig ökologische und soziale Vernachlässigung bestrafen. COSH! ist jedoch der Meinung, dass die Last dieser Initiative nicht auf den Schultern der Verbraucher, sondern auf denen der Marken selbst liegen sollte. Dieser Aufschlag sollte sich darauf konzentrieren, diejenigen zu bestrafen, die minderwertige Produkte herstellen, und so den Weg für verantwortungsvollere Marken ebnen und den Ethos von Gesetzen wie dem französischen AGEC-Gesetz stärken, das sich für Abfallvermeidung und eine Kreislaufwirtschaft einsetzt.
Diese Gesetzgebung zielt auf die Flut billiger, minderwertiger Waren von Online-Händlern wie SHEIN und Temu ab und richtet sich speziell an diejenigen, die in Frankreich nicht mit einem Ladengeschäft vertreten sind. Aus der Sicht von COSH!, die sich für die Förderung der lokalen Wirtschaft und die Unterstützung kleiner Einzelhändler einsetzt, könnte dieser Schritt den lokalen Unternehmern, die mit der Flutwelle der Fast Fashion zu kämpfen haben, frischen Wind verschaffen.
Wir fordern jedoch eine erweiterte Vision, die das gesamte Spektrum der Fast Fashion umfasst und nicht nur die digitalen Giganten. Der derzeitige Fokus ist zwar wichtig, birgt aber die Gefahr, dass die breiteren, weitreichenden Auswirkungen der Dominanz der Fast Fashion übersehen werden.
Die strategische Marktpositionierung von SHEIN ist unübersehbar. Das Unternehmen hat einen bedeutenden Marktanteil erobert und bleibt im physischen Einzelhandel weitgehend unauffindbar. Dieser Ansatz ermöglicht es dem Unternehmen, den europäischen Markt mit konkurrenzlos niedrigen Preisen zu unterbieten – eine ernüchternde Realität für die lokale Wirtschaft und das gesamte Einzelhandelsökosystem. Wir sind der Meinung, dass sich dieser Effekt auch auf andere Fast-Fashion-Einzelhändler auswirkt und deren Pläne, in “nachhaltigere Fasern” zu investieren, wie erwartet einschränkt. Dies wiederum hemmt das Wachstum und die Skalierbarkeit bahnbrechender kreislauffähiger Textil-zu-Textil-Innovationen in ganz Europa, wie z. B. Renewcell, und bremst einen entscheidenden Wandel in Richtung Nachhaltigkeit.
COSH! vertritt einen eher unkonventionellen Standpunkt und schlägt vor, dass die weitere Marktdominanz von SHEIN paradoxerweise dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Mode dienen könnte. Die Begründung? Indem SHEIN anderen Fast-Fashion-Unternehmen wie Zara oder H&M den Rang abläuft, könnte es ungewollt die Verbreitung von Fast-Fashion im physischen Einzelhandel verringern und damit möglicherweise den angeschlagenen Einzelhandelsgeschäften mehr Spielraum bieten.
Diese Strategie ist jedoch nicht ganz unproblematisch. Sie kann zwar den Druck auf den stationären Einzelhandel vorübergehend mindern, verlagert aber das Problem der Fast Fashion stärker in den digitalen Bereich. Das Potenzial für das weitere Wachstum von SHEIN wirft Fragen über die langfristige Vision dieses Ansatzes auf, insbesondere in Bezug auf die Beschäftigung vor Ort und die Umweltauswirkungen eines solchen Geschäftsmodells.
Das sich abzeichnende Szenario könnte europäische Marken und Einzelhändler dazu zwingen, ihre Produktions- und Verbrauchsmuster zu überdenken und zu Degrowth zu wechseln. Dieser Wandel ist zwar notwendig, unterstreicht aber auch die Notwendigkeit strategischer Interventionen. Eine vorgeschlagene Maßnahme besteht darin, die Importe chinesischer Fast-Fashion-Unternehmen, die keine Arbeitsplätze vor Ort schaffen oder sich nicht an die von der EU-Gesetzgebung vorgeschriebenen nachhaltigen Praktiken halten, endgültig zu blockieren.
Theoretisch könnte diese Strategie Unternehmen wie SHEIN dazu ermutigen, einige ihrer Vertriebszentren oder Produktionsstätten näher an die lokalen Märkte zu verlagern. Dieser Schritt könnte die lokale Wirtschaft ankurbeln, ungewollt die Produktionsstandards verbessern, das soziale Wohlergehen steigern und die Transparenz der Lieferkette erhöhen.
Wenn man diese Überlegungen in unsere breitere Diskussion einbezieht, wird deutlich, dass das Problem der Fast Fashion nicht durch einfache Einzellösungen oder kurzfristige Strategien gelöst werden kann. Die überwältigende Präsenz digitaler Marketingstrategien von Giganten wie SHEIN stellt eine komplexe Mischung aus Herausforderungen und Chancen sowohl für die Modeindustrie als auch für die lokalen Volkswirtschaften dar.
Eine ausgewogene Strategie, die die kurzfristigen Vorteile des Marktwettbewerbs mit den dauerhaften Zielen der Nachhaltigkeit und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Einklang bringt, ist unabdingbar. So könnten die Verbraucher beispielsweise die 5‑Euro-Steuer umgehen, indem sie SHEIN-Produkte über Plattformen wie Vinted von außerhalb Frankreichs kaufen und nur einen Euro mehr für den Versand bezahlen. Diese Variante umgeht nicht nur die Steuer, sondern erhöht möglicherweise auch die CO2-Emissionen aufgrund des zusätzlichen Transports, was die unbeabsichtigten Folgen einer solchen Politik verdeutlicht.
Die Steuer ist eine Gratwanderung mit wirtschaftlichen Auswirkungen. Sie könnte einen Rückgang des Konsums bewirken, den dieser Planet dringend braucht. Dies steht im Einklang mit der Vision von COSH! für Degrowth und achtsamen Konsum. Es ist jedoch fraglich, ob diese die bewussten Käufer*innen von nicht nachhaltigen Entscheidungen abhalten oder die Lücke von erschwinglichen Waren mit dem Label “Made in France” deutlich verringern wird.
Diese Steuer ist mehr als nur ein politischer Schritt. Sie ist ein notwendiger Anstoß für die zentrale und führende Rolle der Gesetzgebung bei der Gestaltung einer nachhaltigen Modezukunft. Mit dem Aufkommen strenger Greenwashing-Gesetze durch die EU-Richtlinie über umweltbezogene Angaben und der Forderung nach wissenschaftlicher Untermauerung von Umweltaussagen muss sich die Modewelt bemühen, ihre Kommunikation auf die zunehmende Komplexität und Nuancierung von Nachhaltigkeitsbegriffen abzustimmen.
Die Definition von Besonderheiten, die Bereitstellung wissenschaftlicher Nachweise und das Anbieten von Ökobilanzen werden für kleine Marken eine große Herausforderung darstellen. Die sich am Horizont abzeichnenden Auflagen könnten kleine, verantwortliche Marken mit kürzeren und transparenteren Lieferketten im Stich lassen, die mit der Komplexität der Nachhaltigkeitskonformität zu kämpfen haben.
COSH! begrüßt den Vorschlag von Antoine Vermorel Marques und der französischen Legislative, betont aber, dass ein echter Wandel einen allumfassenden, ganzheitlichen und systemischen Ansatz erfordert. Die 5‑Euro-Steuer ist ein erster Meilenstein auf dem Weg zur Abschaffung der Fast-Fashion-Bewegung. Verbraucher*innen, Marken und politische Entscheidungsträger müssen die Nachhaltigkeit weiterhin in die Entscheidungsfindung in der Modebranche einbeziehen.
Darüber hinaus muss die EU auf ihrem Weg zur Umsetzung des Rahmens für die Entwicklung nachhaltigerer Praktiken vorsichtig vorgehen, um sicherzustellen, dass ihre Schritte nicht auf denjenigen herumtrampeln, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Wir müssen uns ein Mode-Ökosystem vorstellen und kultivieren, in dem Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit, Qualität und Ethik miteinander verflochten und ununterscheidbar sind.
Sollten andere Länder diesem Beispiel folgen? Wir glauben ja! Die Einführung einer ähnlichen Steuer in Belgien, den Niederlanden, Spanien, Deutschland und darüber hinaus könnte die Wirkung verstärken und den gesamten Kontinent in Richtung einer nachhaltigeren Modezukunft und zur Erreichung der Green-Deal-Ziele der EU bewegen. Die 5‑Euro-Steuer stellt einen weiteren ehrgeizigen Schritt Frankreichs in seinem Bestreben dar, seinen bedeutenden Modesektor zu stärken und zukunftssicher zu machen, aber der Weg zu einem tiefgreifenden, systemischen Wandel reicht weit darüber hinaus.
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