
17 Januar 2025
Was passiert mit Sheins Retouren?
- Greenwashing
Trotz zunehmender Regulierung beziehen EU-Marken weiterhin Waren aus Lieferketten, die mit uigurischer Zwangsarbeit in Verbindung stehen und Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang begünstigen.
Ein Bericht aus dem Dezember 2023 mit dem Titel „Tailoring Responsibility Report: Tracing Apparel Supply Chains from the Uyghur Region to Europe“ gewährt einen dystopischen Einblick in die bewusst verschachtelten Unternehmensstrukturen und die erschreckenden Verbindungen zwischen den europäischen Modemärkten und der Zwangsarbeit von Uigur:innen, nordkoreanischen Geflüchteten und anderen Minderheiten in China.
Diese gemeinsame Untersuchung des Uyghur Rights Monitor, des Helena Kennedy Centre for International Justice an der Sheffield Hallam University und des Uyghur Center for Democracy and Human Rights hat aufgedeckt, dass eine beträchtliche Menge an Kleidung, die durch die systematische Zwangsarbeit von Uigur:innen und anderen gefährdeten Minderheiten belastet ist, ungehindert in die Europäische Union gelangt.
Der Bericht, der sich auf vier große chinesische Zulieferer konzentriert — Zhejiang Sunrise Garment Group, Beijing Guanghua Textile Group, Anhui Huamao Group und Xinjiang Zhongtai Group — enthüllt anhaltende systematische ideologische Schulungen, Überwachung, erzwungene Umsiedlungen und Zwangsarbeit sowie zahlreiche weitere Menschenrechtsverletzungen.
Dieser Bericht bietet ein kritisches und vielschichtiges Bild der systematischen Unterdrückung, die gegen Uigur:innen, Kasach:innen, Kirgis:innen, Nordkoreaner:innen und andere marginalisierte Gruppen in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang (XUAR) ausgeübt wird. Die Nutzung von Zwangsarbeit durch die chinesische Regierung ist kein Einzelfall von Ausbeutung. Vielmehr dienen verschachtelte Tochtergesellschaften und komplexe Eigentümerstrukturen dazu, die staatlich finanzierte Repression zu verschleiern — gekennzeichnet durch erzwungene Migration, kulturelle Auslöschung und intensive Überwachung.
Das uigurische Zwangsarbeitssystem basiert auf drei Hauptmechanismen: Zwangsarbeitsprogramme, Arbeit in Internierungslagern, Gefängnisarbeit.
Das Ausmaß dieser Programme ist erschütternd — Millionen von Menschen sind diesem repressiven System unterworfen. Die chinesische Regierung verfolgt dabei nicht nur ausbeuterische, sondern kulturell-genozidale Ziele: Sie versucht, die kulturellen und gemeinschaftlichen Strukturen der Uigur:innen systematisch zu zerstören.
Die Lieferketten der Europäischen Union, führende Modemarken und letztlich unsere eigenen Kleiderschränke sind tief in diese Menschenrechtskrise verstrickt. Unternehmen mit Sitz in der EU, darunter zahlreiche Luxusmarken wie Boss, Prada, Ralph Lauren und Max Mara, sowie beliebte High-Street-Marken wie Zara, Massimo Dutti und Mango, sind über ihre Zulieferer direkt mit Zwangsarbeit verbunden.
Trotz der Behauptungen über Sorgfaltspflichten bestehen diese Verbindungen weiterhin. Der Hauptgrund dafür ist das politische und regulatorische Umfeld in der Region, das gründliche und unabhängige Audits unmöglich macht. Dennoch ist diese Problematik branchenweit bekannt.
In den Jahren 2024 und 2025 haben sowohl die Europäische Union als auch die Vereinigten Staaten ihre Bemühungen verstärkt, Zwangsarbeit aus den globalen Lieferketten zu verbannen, wobei sie insbesondere auf die uigurische Zwangsarbeit in der chinesischen Region Xinjiang abzielen. Während der Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) in den USA seit 2022 in Kraft ist, wurde die EU-Verordnung über Zwangsarbeit (Forced Labour Regulation – FLR) 2024 offiziell verabschiedet und wird 2027 vollständig in Kraft treten. Diese Maßnahmen spiegeln ein zunehmendes globales Vorgehen gegen Zwangsarbeit wider, das sich auf Unternehmen weltweit auswirkt.
Der UFLPA wurde in den Jahren 2024 und 2025 erheblich ausgeweitet und umfasst nun 37 neue Unternehmen auf der Forced Labour Entity List – die bisher größte einzelne Erweiterung. Darunter befinden sich mehrere Textilunternehmen, was die anhaltende Fokussierung der US-Regierung auf Baumwolle aus Xinjiang unterstreicht. Ab dem 15. Januar 2025 wird der US-Zoll- und Grenzschutz (CBP) davon ausgehen, dass Waren dieser Unternehmen unter Zwangsarbeit hergestellt wurden und sie vom US-Markt ausschließen, es sei denn, Importeure können eindeutige und überzeugende Beweise für das Gegenteil erbringen.
Zu den betroffenen Unternehmen gehört Huafu Fashion mit seinen 25 Tochtergesellschaften – ein bedeutender chinesischer Textilkonzern, der in Zwangsarbeit verwickelt ist. Das US-Heimatschutzministerium (DHS) hat über die Forced Labor Enforcement Task Force (FLETF) festgestellt, dass Huafu und weitere Textilhersteller direkt mit repressiven Arbeitsprogrammen in Xinjiang verbunden sind.
Diese verschärften Maßnahmen erhöhen den Druck auf Unternehmen, die Waren in die USA importieren. Firmen müssen ihre Lieferketten lückenlos dokumentieren, Erklärungen ihrer Zulieferer einholen und sicherstellen, dass Baumwolle oder textilbezogene Importe nicht von sanktionierten Unternehmen stammen.
Die am 12. Dezember 2024 veröffentlichte EU-Verordnung über Zwangsarbeit (Forced Labour Regulation, FLR) führt ein umfassendes Verbot von Produkten ein, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden – und gilt für alle Branchen und alle Länder, nicht nur für Xinjiang. Im Gegensatz zum UFLPA, das automatisch von Zwangsarbeit in Produkten aus Xinjiang ausgeht, verlangt die EU-Verordnung Untersuchungen, bevor sie Waren verbietet.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Verordnung ist die Einrichtung einer Datenbank über das Risiko von Zwangsarbeit, die dazu beitragen soll, Produkte und geografische Regionen mit hohem Risiko zu identifizieren. Die Ermittlungen werden risikobasiert durchgeführt, wobei die EU-Mitgliedstaaten die inländischen Fälle bearbeiten, während sich die Europäische Kommission auf Zwangsarbeit außerhalb der EU konzentriert. Wenn festgestellt wird, dass ein Produkt unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurde, wird es in allen EU-Mitgliedstaaten verboten.
Während die Verordnung keine neuen Sorgfaltspflichten auferlegt, erwartet sie von den Unternehmen, dass sie sich an die bestehenden EU-Rechtsvorschriften für die Lieferkette anpassen, wie z. B. an die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht der Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD). Die vollständige Durchsetzung der Verordnung wird bis zum 4. Quartal 2027 beginnen, was den Unternehmen Zeit gibt, ihre Beschaffungs- und Compliance-Strategien anzupassen.
Die Textilindustrie bleibt ein zentraler Schwerpunkt im Kampf gegen Zwangsarbeit, da sowohl die EU- als auch die US-Maßnahmen gezielt die Baumwollindustrie in Xinjiang ins Visier nehmen. Durch die erweiterte Entity List des US-UFLPA für 2024 – 2025, die nun bedeutende Textilhersteller umfasst, wird es für Unternehmen zunehmend schwieriger, Baumwolle zu beschaffen, ohne mit Handelsbeschränkungen konfrontiert zu werden.
Die folgenden Textil- und Bekleidungsunternehmen wurden auf die UFLPA Entity List gesetzt, was ihre Exporte in die USA effektiv verbietet:
Für Textilunternehmen, die in China tätig sind oder aus Xinjiang beziehen, stellen diese Vorschriften erhebliche Compliance-Herausforderungen dar. US-Importeure müssen nachweisen, dass ihre Waren frei von Zwangsarbeit sind, während Unternehmen, die in die EU exportieren, sich auf risikobasierte Untersuchungen vorbereiten müssen.
Um sowohl die US- als auch die EU-Vorschriften einzuhalten, sollten Unternehmen folgende Maßnahmen ergreifen:
Die jüngsten Änderungen des UFLPA (2024−2025) und die Einführung der EU-Verordnung gegen Zwangsarbeit (2024) markieren einen globalen Wandel hin zu einer strengeren Durchsetzung von Maßnahmen gegen Zwangsarbeit. Während die USA einen strikten „schuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist“-Ansatz verfolgen, setzt die EU auf Untersuchungen und Risikobewertungen.
Für Unternehmen in Textil‑, Elektronik‑, Agrarsektoren und anderen Hochrisikobranchen erfordern diese Regelungen eine erhöhte Transparenz, stärkere Compliance-Maßnahmen und proaktives Lieferkettenmanagement. Wer jetzt handelt, kann Risiken minimieren, Handelsstörungen vermeiden und sich an internationale Menschenrechtsstandards anpassen.
Als weltweiter Vorreiter für Menschenrechte und Nachhaltigkeit muss die EU dieser Herausforderung gerecht werden und sicherstellen, dass ihre Märkte und unsere Kleiderschränke nicht zum Zufluchtsort für Produkte werden, die durch Unterdrückung und Leid entstanden sind.
Die Dinge selbst in die Hand nehmen
Als Konsument:innen können wir Druck ausüben, indem wir Bewusstsein schaffen und unsere Empörung deutlich machen, damit dieses Problem nicht unter den Teppich gekehrt wird. Das Uyghur Human Rights Project stellt acht wirkungsvolle Maßnahmen vor, mit denen Einzelpersonen aktiv zur Beendigung der anhaltenden Ausbeutung und Unterdrückung der uigurischen Diaspora beitragen können.
Um Verbraucher:innen bei ethischeren Kaufentscheidungen zu unterstützen, hat die Human Rights Foundation (HRF) den Uyghur Forced Labor Checker entwickelt – eine Google Chrome-Erweiterung, die Modemarken identifiziert, die möglicherweise mit uigurischer Zwangsarbeit in Verbindung stehen.
Dieses Tool funktioniert, indem es Websites beim Online-Shopping scannt und Pop-up-Warnungen ausgibt, wenn eine Marke auf der Liste der Coalition to End Uyghur Forced Labour steht. Durch diese Echtzeit-Warnungen gibt die Erweiterung Konsument:innen die Möglichkeit, Marken zu meiden, die in Zwangsarbeit in Xinjiang verwickelt sein könnten, wo Millionen Uigur:innen und andere türkische Minderheiten staatlich geförderter Ausbeutung ausgesetzt sind.
Da die Modeindustrie stark betroffen ist, bietet dieses Tool eine praktische und zugängliche Möglichkeit, Menschenrechte zu unterstützen, indem Konsument:innen Marken wählen, die auf ethischere Beschaffung setzen. Die Initiative der HRF unterstreicht die Bedeutung von Transparenz in Lieferketten und ermutigt Konsument:innen, Unternehmen für ihre Rolle in Zwangsarbeit zur Verantwortung zu ziehen.
https://data.consilium.europa.eu/doc/document/PE-67 – 2024-INIT/en/pdf
https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-12711 – 2022-INIT/en/pdf
https://www.just-style.com/news/huafu-fashion-china-us/
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