29 Oktober 2025
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Chancen, Grenzen und die Zukunft von Gütesiegeln
Beim Fashion Talk “Zertifikate und Nachhaltigkeit” am 23. September 2025 diskutierten Luise Barsch (COSH!), Ferdinand Josephi (Grüner Knopf), Veronika Scheffold und Maya Buller (JAN ’N JUNE) sowie Britta Opitz (Tchibo) mit Ninu Dramis (FABRIC) über Chancen, Grenzen und die Zukunft von Labels und Gütesiegeln.
Was bedeuten Zertifikate und warum wirken sie oft wie ein undurchdringlicher Dschungel? Für Verbraucher:innen ist es kaum möglich, den Überblick zu behalten. Schnell stellt sich die Frage: Welchem Label kann ich vertrauen, was steckt tatsächlich dahinter und wo wird nur ein grünes Image verkauft?
Was kann man den Konsument:innen an Verantwortung mitgeben? Veronika Scheffold, JAN ’N JUNE
Zertifikate erfüllen in der Modebranche unterschiedliche Funktionen: Sie schaffen Vertrauen, indem sie ökologische oder soziale Standards sichtbar machen, tragen zur Transparenz in Lieferketten bei und dienen nicht selten auch als Marketinginstrument, das Marken ein klareres Nachhaltigkeitsprofil verleiht.
Gleichzeitig stoßen Zertifikate an ihre Grenzen. Viele Standards betrachten nur Teilbereiche der Lieferkette, etwa Materialien oder einzelne Produktionsschritte, und vermitteln dadurch ein unvollständiges Bild. Für kleinere Labels sind die Kosten und der administrative Aufwand oft zu hoch, sodass sie kaum Zugang zu etablierten Zertifizierungen haben. Hinzu kommt das Risiko von Greenwashing, wenn große Unternehmen Zertifikate gezielt nutzen, um ein nachhaltigeres Image zu erzeugen, ohne tiefgreifende Veränderungen in ihrem Geschäftsmodell umzusetzen.
Die Glaubwürdigkeit von Zertifikaten gerät zunehmend unter Druck. Wenn selbst Unternehmen mit klaren Fast-Fashion-Geschäftsmodellen ein Nachhaltigkeitssiegel erhalten, wird die Aussagekraft der Zertifizierungen grundsätzlich infrage gestellt.
Auch ein Audit ist keine hundertprozentige Garantie, dass es sozial und ökologisch zugeht in deiner Lieferkette. Rana Plaza ist ein paar Wochen vor dem Unglück noch SA8000-zertifiziert worden. Ferdinand Josephi, Grüner Knopf
Selbst etablierte Zertifizierungen oder Audits bieten keine absolute Sicherheit und strukturelle Probleme bleiben oft unerkannt.
Auch das Ultrafast-Fashion-Label Princess Polly erhielt 2025 eine B Corp-Zertifizierung, obwohl das Geschäftsmodell auf Massenproduktion, extrem kurze Produktlebenszyklen und permanenten Trendwechsel ausgelegt ist; der Treiber von Umweltbelastung und sozialen Missständen in der Modebranche. Dass ein Unternehmen mit einem solchen Modell zertifiziert wird, wirkt widersprüchlich.
Aber wie ist das möglich? Die B Corp-Bewertung prüft nicht das Geschäftsmodell als Ganzes, sondern eine Vielzahl von einzelnen Kriterien wie Unternehmensführung, Transparenz, Lieferkettenmanagement oder Nachhaltigkeitsinitiativen. Erfüllt ein Unternehmen hier genügend Punkte, kann es die Zertifizierung erhalten, auch wenn das Kerngeschäft auf Überproduktion und hohem Ressourcenverbrauch basiert.
Gleichzeitig bestehen Lücken im Zertifizierungsangebot. Wichtige Ansätze wie Upcycling, lokale Produktion oder die gezielte Förderung von Handwerk werden von gängigen Siegeln bislang kaum erfasst. Damit bleiben genau jene Akteur:innen im Schatten, die in puncto Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft besonders aktiv sind.
Ein weiterer Schwachpunkt vieler Standards ist, dass Überproduktion und die tatsächliche Lebensdauer von Kleidung kaum berücksichtigt werden. Selbst zertifizierte Produkte tragen wenig zu mehr Nachhaltigkeit bei, wenn sie nur wenige Male getragen und schnell wieder entsorgt werden.
In den kommenden Jahren wird sich das Zertifizierungssystem voraussichtlich verändern. Mit der Einführung der erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) und strengeren Mindeststandards für Nachhaltigkeit rücken Unternehmen stärker in die Pflicht, nicht nur ihre Lieferketten, sondern auch das End-of-Life-Management ihrer Produkte im Blick zu haben.
Neben klassischen Zertifikaten gewinnen auch digitale Lösungen an Bedeutung. Tools wie die COSH! Digital Wardrobe App zeigen, wie sich die tatsächliche Lebensdauer und Nutzung von Kleidung erfassen lässt. Solche Daten liefern ein realistisches Bild darüber, wie nachhaltig ein Kleidungsstück tatsächlich ist – unabhängig davon, ob es ein Siegel trägt oder nicht. Damit könnte die Zukunft von Zertifizierungen stärker in Richtung dynamischer, datenbasierter Systeme gehen, die Veränderungen kontinuierlich abbilden, anstatt nur punktuelle Prüfungen vorzunehmen.
Worauf muss ich als Konsument:in achten?
Für Konsument:innen gilt: Zertifikate können Orientierung bieten, wichtiger ist es aber, das Gesamtbild im Blick zu behalten. Entscheidend ist, wie langlebig ein Kleidungsstück ist, wie oft es genutzt wird und ob es repariert oder weitergegeben werden kann. Wer bewusst kauft, achtet also nicht nur auf ein Siegel, sondern auch darauf, wie Kleidung im eigenen Alltag integriert wird.
COSH! bringt verschiedene Nachweise, Standards und Informationen zusammen. Ziel ist es, die Komplexität zu reduzieren und die unterschiedlichen Facetten von Nachhaltigkeit verständlicher zu machen. Gerade kleinere Marken können so ihre Bemühungen sichtbar machen, auch wenn ein offizielles Siegel für sie finanziell oder organisatorisch nicht machbar ist. Käufer:innen erhalten damit einen transparenten Überblick, ohne selbst tief in Lieferketten eintauchen zu müssen.
Auf den COSH! Markenseiten ist der COSH! Brand Index zu finden. Er dient als Bewertungssystem, in dem Marken anhand von sieben Impact Themen eingeordnet werden. So können Konsument:innen nachvollziehen, welche Ansätze eine Marke verfolgt, ohne selbst aufwendige Recherchen betreiben zu müssen. Ziel ist es, eine fundierte Kaufentscheidung zu ermöglichen, die über klassische Zertifikate hinausgeht. Erfahre hier mehr über den COSH! Brand Index.
Worauf muss ich als Label achten?
Für kleine Labels ist es entscheidend, auch ohne teure Zertifikate Vertrauen und Transparenz zu schaffen. Das kann gelingen, indem beispielsweise die lokale Produktion sichtbar gemacht wird, Prozesse offen kommuniziert und Nachweise wie Rechnungen, Lieferantendetails oder Fotos aus der Produktion geteilt werden. So kann die Glaubwürdigkeit gestärkt und Konsument:innen nachvollziehbar gezeigt werden, wofür die Marke steht – auch ohne offizielles Siegel.
Zertifikate bleiben ein wichtiges Instrument, um Nachhaltigkeit in der Modebranche messbar und für Konsument:innen greifbarer zu machen. Doch sie sind nicht die einzige Lösung. Ein Kleidungsstück wird nicht automatisch nachhaltig, nur weil es ein Siegel trägt.
Entscheidend ist ein ganzheitlicher Blick, der über Zertifikate hinausgeht: Kreislaufwirtschaft, die tatsächliche Nutzung von Kleidung und transparente Informationen entlang der gesamten Lieferkette. Unternehmen müssen dabei auch den Mut haben, Fehler einzugestehen, transparent zu kommunizieren und ehrlich zu sein. Wirkliche Nachhaltigkeit entsteht durch ehrliches Handeln und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
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